Wie Stress Ihren Schmerz verstärkt
Wenn Sie schon seit einiger Zeit mit Schmerzen zu kämpfen haben, wissen Sie wahrscheinlich nur allzu gut, wie Stress Ihre Schmerzen noch verschlimmern kann. Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal gefragt:
"Wenn mein Schmerz durch psychischen Stress verursacht wird, bin ich dann irgendwie selbst dafür verantwortlich? Bin ich schuld an meinen Schmerzen, weil ich meine Gedanken und Handlungen nicht im Griff habe?"
Nein, das sind Sie nicht. Lassen Sie mich erklären, warum.

Stress: Mehr als nur ein Gefühl
Zunächst einmal ist Stress etwa so psychologisch wie Hunger oder Durst. Natürlich nehmen wir Stress durch unsere Gefühle wahr, aber er ist in Wirklichkeit eine komplexe körperliche Reaktion. Ihre Emotionen sind nur ein Aspekt dieses vielschichtigen Prozesses. Sie sollten ernst genommen werden, aber nicht für alles verantwortlich gemacht werden.
Wenn Sie sich also in einer Situation wiederfinden, die bei Ihnen Stress auslöst, was passiert dann noch in Ihrem Körper? Und wie verstärkt das Ihren Schmerz?
1. Ihr Körper geht in Alarmbereitschaft („Kampf oder Flucht“)
Sobald Ihr Gehirn Stress wahrnimmt, schaltet es automatisch in einen Alarmmodus. Ihr Körper bereitet sich blitzschnell darauf vor, einer Gefahr zu begegnen oder ihr auszuweichen. Dabei passiert folgendes:
- Ihr Herz schlägt schneller und Ihr Blutdruck steigt.
- Ihre Atmung wird schneller und flacher.
- Die Muskeln spannen sich an.
- Ihr Körper setzt Energie frei, damit Sie schnell handeln können.
Kurzfristig ist diese Reaktion hilfreich, weil sie Sie handlungsfähig macht. Bei chronischem Stress bleibt Ihr Körper jedoch dauerhaft in diesem Alarmzustand. Und genau dadurch können Schmerzen stärker und häufiger werden.
2. Ihr Körper produziert Stresshormone (wie Cortisol)
Neben der sofortigen Alarmreaktion setzt Ihr Körper bei Stress Hormone frei. Das wichtigste davon heißt Cortisol. Cortisol hilft kurzfristig, Stresssituationen zu meistern. Es beeinflusst unter anderem:
- Ihr Immunsystem (die körpereigene Abwehr).
- Ihren Stoffwechsel (wie Ihr Körper Energie verarbeitet).
- Ihre Stimmung und Ihre Gedanken.
Ist Ihr Cortisol-Level länger erhöht (wie bei chronischem Stress), kann dies negative Folgen haben: Ihr Immunsystem wird geschwächt, Entzündungen können entstehen und Schmerzen werden intensiver und anhaltender wahrgenommen.
3. Ihr Körper braucht Erholungsphasen – der Vagusnerv hilft dabei
Normalerweise sorgt Ihr Körper automatisch dafür, dass Sie sich nach Stress erholen und entspannen können. Zuständig dafür ist vor allem der sogenannte Vagusnerv. Er hilft Ihrem Körper, nach Stress wieder in einen ruhigen, entspannten Zustand zurückzukehren.
Bei chronischem Stress funktioniert dieser „Entspannungsnerv“ jedoch oft nicht mehr optimal. Ihr Körper findet dann nicht mehr ausreichend zur Ruhe zurück. Das hat Folgen:
- Ihr Körper bleibt angespannt und reagiert empfindlicher auf Schmerz.
- Ihre Abwehrkräfte und Ihre Fähigkeit, Entzündungen zu kontrollieren, sinken.
- Sie fühlen sich erschöpft und anfälliger für Schmerzen und Beschwerden.
4. Stress fördert Entzündungen und macht Ihre Nerven empfindlicher
Wenn Sie dauerhaft gestresst sind, erhöht sich auch die Bereitschaft Ihres Körpers, mit Entzündungen zu reagieren. Spezielle Zellen in Ihrem Nervensystem (die sogenannten „Mikroglia“) werden aktiviert und lösen Entzündungsreaktionen aus. Dadurch werden Ihre Nerven empfindlicher und reagieren stärker auf Schmerzreize:
- Sie nehmen Schmerzen intensiver wahr.
- Schon leichte Berührungen oder Bewegungen können schmerzhaft werden.
- Schmerzen treten häufiger auf und verschwinden langsamer.
Gestresst sein: Ein wertvoller Indikator
Sie sehen, das Gefühl von Stress ist tatsächlich nur ein kleiner Teil eines umfassenden biologischen Prozesses. Aber es ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass in Ihrem Körper etwas vor sich geht. Es ist ein Signal, das Sie darauf aufmerksam macht, dass Ihre Stresssysteme aktiviert wurden.
Anstatt dieses Gefühl zu ignorieren oder sich selbst dafür die Schuld zu geben, können Sie es als Aufruf zur Selbstfürsorge verstehen. Es bietet die Gelegenheit, innezuhalten und Maßnahmen zu ergreifen, die Ihren Körper und Geist unterstützen.
Denken Sie daran: Ihr Körper sendet Ihnen Signale, um Sie auf seine Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Das Gefühl von Stress ist nicht Ihr Feind, sondern ein Hinweis, der Ihnen hilft, besser auf sich zu achten.