Psychologischer Stress und chronische Schmerzen: Wenn Stress den Schmerz verstärkt
Wenn Sie schon seit einiger Zeit mit Schmerzen zu kämpfen haben, wissen Sie wahrscheinlich nur allzu gut, wie Stress Ihre Schmerzen noch verschlimmern kann. Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal gefragt:
"Wenn mein Schmerz durch psychologischen Stress verursacht wird, bin ich dann irgendwie selbst dafür verantwortlich? Bin ich schuld an meinen Schmerzen, weil ich meine Gedanken und Handlungen nicht im Griff habe?"
Nein, das sind Sie nicht. Lassen Sie mich erklären, warum.
Stress: Mehr als nur ein Gefühl
Zunächst einmal ist Stress etwa so psychologisch wie Hunger. Natürlich nehmen wir Stress durch unsere Gefühle wahr, aber er ist in Wirklichkeit eine komplexe körperliche Reaktion. Ihre Emotionen sind nur ein Aspekt dieses vielschichtigen Prozesses. Sie sollten ernst genommen werden, aber nicht für alles verantwortlich gemacht werden.
Wenn Sie sich also in einer Situation wiederfinden, die bei Ihnen Stress auslöst, was passiert dann noch in Ihrem Körper? Und wie verstärkt das Ihren Schmerz?
Der Körper unter Stress: Eine Kaskade von Reaktionen
1. Aktivierung des sympathischen Nervensystems
Alles beginnt im Gehirn, genauer gesagt im Locus coeruleus, einem kleinen Bereich im Hirnstamm. Sobald Sie Stress wahrnehmen, aktiviert der Locus coeruleus das sympathische Nervensystem. Dieses ist verantwortlich für die "Kampf-oder-Flucht"-Reaktion, die unseren Körper auf akute Bedrohungen vorbereitet.
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Herzfrequenz und Blutdruck steigen.
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Die Atmung beschleunigt sich.
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Muskelspannung nimmt zu.
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Energie wird mobilisiert, indem Glukose ins Blut freigesetzt wird.
Diese Reaktionen sind kurzzeitig hilfreich, um uns auf Gefahrensituationen vorzubereiten. Bei chronischem Stress jedoch bleibt das System ständig aktiviert, was zu körperlichen Beschwerden und einer Verstärkung von Schmerzen führt.
2. Das hypothalamo-hypophysär-adrenale (HPA) System
Parallel dazu wird die HPA-Achse aktiviert:
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Der Hypothalamus schüttet das Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) aus.
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Dieses stimuliert die Hypophyse, die das adrenocorticotrope Hormon (ACTH) freisetzt.
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ACTH regt die Nebennierenrinde an, Cortisol zu produzieren – das primäre Stresshormon.
Cortisol hat vielfältige Wirkungen:
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Unterdrückung des Immunsystems.
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Beeinflussung des Stoffwechsels.
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Auswirkungen auf Stimmung und Kognition.
Langfristig kann eine erhöhte Cortisolproduktion zu Entzündungen führen und Schmerzprozesse verstärkten.
3. Das parasympathische Nervensystem und der Vagusnerv
Normalerweise sollte nach der Stressreaktion das parasympathische Nervensystem einspringen, um den Körper wieder in den Ruhezustand zu versetzen. Der Vagusnerv spielt hierbei eine Schlüsselrolle. Er steuert den vagalen Immunreflex, der entzündungshemmend wirkt.
Bei anhaltendem Stress ist die Funktion des Vagusnervs jedoch oft beeinträchtigt:
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Verminderte Aktivität des parasympathischen Systems.
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Gestörte Regulation von Entzündungsreaktionen.
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Erhöhte Anfälligkeit für chronische Schmerzen.
4. Entzündungsprozesse und Mikroglia-Aktivierung
Die Mikroglia sind spezialisierte Immunzellen im zentralen Nervensystem. Bei Stress und erhöhten Entzündungsmarkern werden sie aktiviert:
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Freisetzung von pro-inflammatorischen Zytokinen.
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Sensibilisierung von Nervenzellen.
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Verstärkung der Schmerzempfindung.
Diese Prozesse können dazu führen, dass Schmerzen intensiver wahrgenommen werden und selbst bei geringfügigen Reizen auftreten.
Gestresst sein: Ein wertvoller Indikator
Sie sehen, das Gefühl von Stress ist tatsächlich nur ein kleiner Teil eines umfassenden biologischen Prozesses. Aber es ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass in Ihrem Körper etwas vor sich geht. Es ist ein Signal, das Sie darauf aufmerksam macht, dass Ihre Stresssysteme aktiviert wurden.
Anstatt dieses Gefühl zu ignorieren oder sich selbst dafür die Schuld zu geben, können Sie es als Aufruf zur Selbstfürsorge verstehen. Es bietet die Gelegenheit, innezuhalten und Maßnahmen zu ergreifen, die Ihren Körper und Geist unterstützen.
Denken Sie daran: Ihr Körper sendet Ihnen Signale, um Sie auf seine Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Das Gefühl von Stress ist nicht Ihr Feind, sondern ein Hinweis, der Ihnen hilft, besser auf sich zu achten.