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Wie Ihr Gehirn Schmerzen verarbeitet – Ein Blick hinter die Kulissen

Schmerzen fühlen sich meist einfach nur furchtbar an. Doch hinter den Kulissen unserer Wahrnehmung läuft ein komplexes und faszinierendes Theaterstück ab. Drei entscheidende Akteure bestimmen, wie wir Schmerz erleben:

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Der laterale nozizeptive Pfad – Der präzise Bühnen-Techniker 

 

Im Schmerzens-Theater gibt es einen Bühnen-Techniker, der ganz genau weiß, wo und wann etwas passiert. Sobald irgendwo in Ihrem Körper ein Problem entsteht, springt dieser Techniker in Aktion: Er richtet blitzschnell ein helles Scheinwerferlicht auf die exakte Stelle der Bühne, an der das Geschehen stattfindet. So erkennen Sie sofort:

 

- Wo genau tut es weh? (Ort)

- Wie stark ist der Schmerz? (Intensität)

- Welche Art Schmerz ist das? (stechend, dumpf, brennend?)

 

Dieser Techniker nutzt schnelle, direkte Nervenbahnen – den sogenannten lateralen nozizeptiven Pfad. Die Signale gelangen rasch ins Gehirn, genauer gesagt in den somatosensorischen Kortex. Erst hier wird der Schmerz bewusst wahrgenommen und exakt lokalisiert.

 

Dank dieses präzisen Bühnen-Technikers wissen Sie sofort, wo Sie reagieren müssen. Berühren Sie versehentlich eine heiße Herdplatte, sorgt er dafür, dass Sie die Hand blitzschnell wegziehen können.

 

Der laterale Pfad ist Ihr exakter Schmerz-Techniker, der Ihnen hilft, schnell und gezielt zu handeln.

Der mediale nozizeptive Pfad – Der emotionale Regisseur

 

Doch Schmerz ist nicht nur ein neutrales Signal. Er fühlt sich häufig unangenehm, belastend und emotional aufgeladen an. Dafür sorgt der mediale nozizeptive Pfad: der emotionale Regisseur des Schmerzens-Theaters.

 

Dieser Regisseur entscheidet, wie sich die Schmerz-Szene emotional anfühlt. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Gefühle, die mit dem Schmerz verbunden sind, und sorgt dafür, dass die Szene uns bewegt, berührt oder sogar ängstigt. 

 

Dafür nutzt er spezielle Bahnen, die Schmerzsignale zu emotionalen Gehirnregionen schicken – etwa zur Amygdala (für Angst- und Stressgefühle), zum vorderen cingulären Kortex (für emotionale Bewertung) und zur Insula (für Selbstwahrnehmung und emotionale Reaktion).

 

Deshalb erleben wir Schmerzen nicht einfach neutral, sondern als belastend:

 

- Warum fühlt sich Schmerz so unangenehm an?

- Warum macht Schmerz nervös oder ängstlich?

- Warum wünschen wir uns dringend, dass der Schmerz aufhört?

 

Dieser emotionale Regisseur sorgt dafür, dass Schmerzen uns nicht kalt lassen, sondern uns stark motivieren, uns zu schützen und Hilfe zu suchen.

 

Der mediale Pfad verleiht Ihrem Schmerz emotionale Tiefe und Dringlichkeit.

Der deszendierende Pfad – Der Schmerz-Regler am Mischpult 

 

Ihr Gehirn kann Schmerzen nicht nur passiv erleben, sondern aktiv steuern. Genau dafür gibt es den dritten Akteur im Schmerz-Theater – den sogenannten deszendierenden Pfad. Stellen Sie ihn sich wie ein Mischpult vor, der die Lautstärke und Intensität des Schmerzsignals beeinflussen kann.

 

Dieser Schmerz-Regler kann Signale verstärken oder abschwächen – je nachdem, was gerade auf der Bühne (in Ihrem Leben) passiert. Er wird stark beeinflusst von Ihren Gefühlen, Gedanken und inneren Zuständen:

 

- Positive Gefühle, Ablenkung oder Entspannung drehen die Schmerzlautstärke herunter.

- Stress, Angst oder Sorgen drehen dagegen die Schmerzlautstärke nach oben.

 

Dabei spielen Gehirnregionen wie das periaquäduktale Grau (PAG) oder die rostral ventromediale Medulla (RVM) eine zentrale Rolle. Sie bestimmen, ob Schmerzsignale gedämpft oder verstärkt werden.

 

Deshalb verändert sich die Intensität von Schmerzen oft je nach Tagesform, Stimmung oder Situation:

 

- Warum tut manchmal etwas weniger weh, wenn Sie entspannt oder abgelenkt sind?

- Warum verstärkt Stress Ihre Schmerzen oft deutlich?

 

Der deszendierende Pfad ist Ihr körpereigener Schmerz-Regler, den Sie aktiv beeinflussen und gezielt steuern können.

Und was bedeutet das für Sie ganz konkret?

 

Bei chronischen Schmerzen gerät das fein abgestimmte Zusammenspiel dieser drei Akteure manchmal aus dem Gleichgewicht:

 

- Der laterale Techniker wird überempfindlich und meldet Schmerzen zu stark oder zu häufig.

- Der emotionale Regisseur intensiviert negative Gefühle, Stress und Angst rund um den Schmerz.

- Der Schmerz-Regler am Mischpult schafft es nicht mehr, die Schmerzlautstärke effektiv herunterzuregeln.

 

Die gute Nachricht: Gemeinsam können wir gezielt daran arbeiten, Ihr Gehirn und Nervensystem wieder in Balance zu bringen. Mit modernen, wissenschaftlich fundierten Ansätzen trainieren wir Ihr Nervensystem sanft um und helfen Ihnen, Schmerzen dauerhaft zu reduzieren.

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