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Stille Entzündung & chronischer Schmerz – ein Flüsterton, der zur Sirene wird

Steigen Sie noch einmal mit mir ins Hochhaus-Modell Ihres Körpers. Diesmal suchen wir nicht nach lodernden Bränden, sondern nach schwelenden Glutnestern hinter den Wänden – kaum sichtbar, kaum riechbar, aber heiß genug, dass die Tapete langsam bräunt. Genau das ist „Silent Inflammation“: eine niedriggradige, systemische Entzündung, die selten Fieber macht, nie nach Desinfektionsmittel riecht, aber Ihr Nervensystem rund um die Uhr ein paar Grad über Solltemperatur hält.

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Wo brennt’s überhaupt? Die stillen Glutquellen

  • Bauchfett als Kohlenkeller
    Adipozyten sondern IL-6 und TNF-α ab – kleine Brandbeschleuniger im Fettgewebe.
    Makrophagen dringen ein, bilden Schaumnester: ein Kamin, der nie ganz ausgeht.

  • Leaky Gut, der undichte Versorgungsschacht
    Dysbiotische Darmflora perforiert die Epithelwand → Endotoxine (LPS) gelangen ins Blut.
    TLR4-Rezeptoren an Immunzellen nehmen LPS als Funkspruch „Alarm!“.

  • Chronischer Stress setzt Funken
    Cortisolresistenz bremst die Löschtruppe.
    Sympathikus liefert Noradrenalin, das Immunzellen noch aggressiver macht.

  • Gehirn: Mikroglia auf Standby
    Durch periphere Zytokine „geprimt“, warten sie nur auf den nächsten kleinen Reiz, um Neuroinflammation zu entfachen.

Wie still wird laut? Vom Glutnest zur Lärmbelästigung

  • Peripherer Zündstoff

    IL-6, TNF-α, IL-1β diffundieren via Blutbahn.

    Sie brechen an den Fenstern der Blut-Hirn-Schranke ein (tight-junction-Lockerung).

  • Mikrogliale Aufrüstung

    Aktivierte Mikroglia bilden NLRP3-Inflammasomen – chemische Zündkapseln, die IL-1β & IL-18 in Serie produzieren.

    Gleichzeitig schieben sie ATP-Rezeptoren (P2X7) und Glutamat hinaus – das Nervengewebe wird elektrischer Teppichboden.

  • Zentrale Sensitivierung

    NMDA-Rezeptoren der zweiten Schmerzbahn (dorsales Horn) nehmen den Dauerstrom dankend an – LTP in Schmerzrichtung.

    GABA-Interneurone gehen in Kurzarbeit; die Bremse quietscht.

  • Hyperalgesie & Allodynie

    C-Fasern feuern leichter, A-δ-Fasern melden sich bei kleinsten Reizen.

    Ergebnis: Berührung = Brennen, Sitzen = Säbelzahntiger.

 

Kurz um: Eine Unze Zytokin in der Peripherie wird im Rückenmark zum Megafon.

Labordaten als Rauchmelder

  • hs-CRP 1–3 mg/l = „Dämmerbrand“

  • TNF-α ↑, IL-6 ↑ = „Kohleglut“

  • Ferritin ↑ & Transferrinsättigung ↓ → Akute-Phase-Reaktion trotz Eisenmangel

  • Neutrophil-zu-Lymphozyten-Ratio > 3 → systemischer Funkenflug

  • Noch subtiler: erhöhte Gamma-Glutamyl-Transferase oder leichtes Fastenblutzucker-Plus – Metabolisches Feuer passt gut zu Silent Inflammation.

Wie löscht man etwas, das kaum raucht?

  • Ernährungs-Umbau:
    Omega-3 statt Omega-6 (EPA ≥ 1000 mg/Tag) – flüssiger Löschschaum.
    Polyphenole aus Beeren, Kurkuma, Kaffee – Brandhemmer für Mikroglia.
    Ballaststoffe (Inulin, resistente Stärke) füttern Darmbakterien → Butyrat dichtet die Darmwand ab.

  • Metabolisches Recycling:
    Intervallfasten (z. B. 16/8) schaltet AMPK an, senkt NLRP3-Aktivität.
    Moderate Kalorienreduktion verringert Adipozyten-IL-6-Ausschüttung.

  • Bewegung als Lüftungsanlage:
    Myokine (IL-10, Irisin) wirken anti-entzündlich.
    Regelmäßig 150 min/Woche senkt hs-CRP um bis zu 40 %.

  • Stress-Löschdecke:
    Vagus-Ton fördern (Atem 4-7-8, kalte Dusche) reduziert systemische Zytokine.
    Mindfulness-Based Stress Reduction normalisiert Cortisol-Rhythmus → weniger Mikroglia-Priming.

  • Schlaf als Nachtfeuerwehr:
    < 6 h Schlaf verdoppelt IL-6-Spiegel. Mehr Tiefschlaf = Glymphatisch spülen, Glutamat runter.

Integration ins Schmerz-Puzzle

Silent Inflammation ist die Grundlautstärke, auf der Ihr Nervensystem spielt. Erhöhen Sie den Pegel nur um ein paar Dezibel, und jede Melodie – Muskelverspannung, Bandscheibenvorfall, Arthrose – wird zum Heavy-Metal-Konzert.

  • Niedriggradige Entzündung primet Mikroglia → schneller & stärkeres Aufrauschen bei jedem nozizeptiven Input.

  •  Gleichzeitig sabotiert IL-1β die endogenen Opioid-Rezeptoren – Ihr körpereigenes Analgetikum klingt wie ein leises Radio bei Sturm.

  • Dopamin-Turnover sinkt → Motivationsloch, weniger Bewegung → mehr Entzündung.

 

Ein selbstverstärkender Kreislauf, der schmerzhaft leise beginnt und laut endet.

Leises Knistern ist nicht harmlos, wenn es unter Ihren Fußböden lodert. Silent Inflammation flüstert – und Ihr Schmerzverstärker hört jedes Wort. Werden Sie Brandschutzbeauftragte*r Ihres eigenen Hochhauses: dichten Sie den Versorgungsschacht Darm ab, reduzieren Sie das Kohlelager Bauchfett, lüften Sie mit Bewegung und lassen Sie die Nachtfeuerwehr schlafen.

Dann hat Ihr Nervensystem endlich Ruhe, die Melder kalibrieren sich neu – und aus dem dauernden Hintergrundrauschen wird wieder wohltuende Stille.

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