Leiden Sie unter chronischen Schmerzen und haben das Gefühl, schon alles ausprobiert zu haben? Dann könnte eine vielversprechende, aber noch wenig bekannte Therapieoption auch für Sie interessant sein: die Behandlung mit niedrig dosiertem Naltrexon (LDN).
Naltrexon ist vielen wahrscheinlich als Medikament zur Behandlung von Alkohol- und Opioidabhängigkeit ein Begriff. Doch was in hoher Dosis gegen Sucht hilft, entpuppt sich in niedriger Dosierung von 1-5 mg pro Tag als möglicher Geheimtipp bei chronischen Schmerzen. Erste Studien und klinische Erfahrungen zeigen: LDN könnte bei Erkrankungen wie Fibromyalgie, Multipler Sklerose, Morbus Crohn und komplexem regionalem Schmerzsyndrom eine erstaunliche Wirkung entfalten.
Der Schlüssel dazu liegt in einem faszinierenden Phänomen namens "Hormesis": Während Naltrexon in hohen Dosen die Opioidrezeptoren blockiert, scheint es in sehr niedriger Dosierung paradoxerweise genau das Gegenteil zu bewirken. Es kommt zu einer Hochregulation der körpereigenen Opioid-Signalwege und einer verstärkten Ausschüttung von Endorphinen, Met-Enkephalin und Opioid-Wachstumsfaktor. Dadurch werden die schmerzhemmenden und stimmungsaufhellenden Effekte des körpereigenen Opioid-Systems auf sanfte Weise angekurbelt.
Doch damit nicht genug: LDN wirkt auch als Antagonist am Toll-like-Rezeptor 4 (TLR-4) und entfaltet darüber eine potente entzündungshemmende Wirkung. Insbesondere die Aktivität von Gliazellen im zentralen Nervensystem, die bei vielen chronischen Schmerzerkrankungen eine wichtige Rolle spielen, wird durch LDN günstig beeinflusst. Durch die Modulation dieser schädlichen Neuro-Inflammation lassen sich oft erstaunliche Verbesserungen erzielen - nicht nur in Bezug auf die Schmerzen, sondern auch auf andere Symptome wie Fatigue, Konzentrationsstörungen und depressive Verstimmungen.
Die klinischen Erfahrungen mit LDN sind äußerst ermutigend: Viele Patienten berichten von einer deutlichen Linderung ihrer Beschwerden und einer spürbaren Steigerung ihrer Lebensqualität. Einige sprechen sogar davon, endlich wieder "sie selbst sein zu können". Im Gegensatz zu manch anderen Medikamenten ist LDN dabei nebenwirkungsarm und birgt kein Suchtpotenzial.
Natürlich braucht es noch mehr Forschung, um die genauen Mechanismen und das volle Potenzial von LDN zu verstehen. Erste klinische Studien, darunter auch randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien, liefern jedoch bereits vielversprechende Ergebnisse. So konnte beispielsweise eine signifikante Verbesserung von Schmerzen, Lebensqualität und Stimmung bei Fibromyalgie-Patienten nachgewiesen werden. Auch bei Multipler Sklerose und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zeigten sich positive Effekte.
Ein weiteres spannendes Anwendungsgebiet für LDN, das derzeit diskutiert wird, ist das Post-COVID-Syndrom, auch bekannt als "Long COVID". Viele Betroffene leiden auch Wochen bis Monate nach der akuten Infektion unter anhaltenden Beschwerden wie Erschöpfung, kognitiven Einschränkungen ("Brain Fog"), Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Störungen des autonomen Nervensystems.
Auch hier könnte die entzündungshemmende und immunmodulatorische Wirkung von LDN einen vielversprechenden Ansatz darstellen. Es gibt Hinweise darauf, dass eine chronische Entzündungsreaktion und eine Fehlregulation des Immunsystems eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Long COVID spielen. Insbesondere die persistierende Aktivierung von Gliazellen und die damit verbundene Neuro-Inflammation werden als mögliche Ursachen diskutiert.
Erste Berichte von Long-COVID-Patienten, die einen Therapieversuch mit LDN unternommen haben, sind ermutigend. Einige beschreiben eine deutliche Verbesserung ihrer Symptome, insbesondere im Hinblick auf Fatigue, Brain Fog und Schmerzen. Auch eine Steigerung der allgemeinen Belastbarkeit und Lebensqualität wird oft berichtet.
Natürlich handelt es sich hierbei zunächst um anekdotische Evidenz, die mit Vorsicht zu interpretieren ist. Randomisierte, kontrollierte Studien sind nötig, um die Wirksamkeit und Sicherheit von LDN bei Long COVID zu untersuchen. Dennoch gibt es gute Gründe, diesem Ansatz mit Hoffnung und Interesse zu begegnen. Angesichts der großen Zahl von Betroffenen und des hohen Leidensdrucks besteht ein dringender Bedarf an wirksamen Therapien für Post-COVID-Syndrome. LDN könnte hier möglicherweise eine wertvolle Option sein, die es weiter zu erforschen gilt.
Als Schmerzmediziner biete ich LDN bereits für einen ausgewählten Patientenkreis an und bin von den positiven Rückmeldungen begeistert. Wenn Sie mehr über die Möglichkeiten von LDN erfahren möchten, sprechen Sie mich gerne bei Ihrem nächsten Termin darauf an. Gemeinsam finden wir heraus, ob diese innovative Therapie auch für Sie infrage kommt. Es könnte der Beginn eines neuen, schmerzärmeren Lebensabschnitts sein!
Ein gutes Paper zu diesem Thema finden sie zum Beispiel hier: Kim, P.S., Fishman, M.A. Low-Dose Naltrexone for Chronic Pain: Update and Systemic Review. Curr Pain Headache Rep 24, 64 (2020)
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